Jüdischer Verbandsfriedhof Heinsheim

Zur Geschichte des Jüdischen Verbandsfriedhofs bei Heinsheim

Gräberfeld_013Der Jüdische Friedhof im Gewann „in der Schlierbach“ dürfte wohl schon im 16. Jahrhundert angelegt worden sein. Einen wichtigen Hinweis darauf gibt ein Bericht aus dem Jahre 1713. Daraus geht hervor, dass dieser Begräbnisplatz bereits „von uhralten unerdenklichen Zeiten her“ bestand. Auch eine Reihe von stilistischen Merkmalen an den ältesten Grabsteinen weist auf das 16. Jahrhundert hin.

Die jüdischen Friedhöfe – so auch der Heinsheimer – wurden außerhalb der Ortschaften und sogar außerhalb bearbeiteter Flächen angelegt. Ein Stück Land ist nach jüdischem Religionsgesetz nur dann für einen Friedhof geeignet („koscher“), wenn es zuvor nicht bebaut oder bearbeitet worden war. Auf ihm durfte sich keine Gerichtsstätte befunden, und kein Verbrechen ereignet haben; auch durfte auf ihm kein unschuldiges Blut vergossen worden sein. Aus diesen Gründen boten sich fast ausschließlich Wiesen in Waldstücke, Feldraine, leichte Abhänge in der Nähe von Bächen und Quellen (zur Nutzung für die rituelle Reinigung) als Gelände an.

Auf solch einer Waldwiese, nahe am Schlierbach, ist auch der Heinsheimer Jüdische Friedhof angelegt worden. Es ist nicht ausgeschlossen, dass er schon seit seinen Anfängen als Verbandsfriedhof für mehrere jüdische Gemeinden gedient hat. Vor allem ging es darum, den weiten, beschwerlichen und durch Zölle teuren Weg nach Worms für eine Bestattung abzulösen. Darum errichteten mehrere jüdische Landgemeinden zusammen sogenannte Verbandsfriedhöfe. Oft hat die Obrigkeit zudem den Juden nicht erlaubt, in der Nähe der Ortschaften, in denen es jüdische Gemeinden gab, einen eigenen Friedhof anzulegen. Und schließlich wird auch Geldmangel in den einzelnen Gemeinden ein Verbandsfriedhof als einzige Lösung angeboten haben. Im Kraichgau waren es im Lauf der Zeit die Friedhöfe in Eppingen, Flehingen, Heinsheim, Obergrombach, Oberöwisheim, Waibstadt und Wiesloch.

Dem Jüdischen Friedhof bei Heinsheim haben zeitweise bis zu 25 jüdische Gemeinden angehört. Er bildet den geografischen Mittelpunkt eines Einzugsgebietes, dessen Radius ca. 25 km beträgt. Die Toten aus der Region zwischen Eppingen, Mosbach und Bad Wimpfen fanden hier ihre letzte Ruhestätte. Genau 1.137 Grabstellen birgt der Friedhof: die älteste stammt aus dem Jahr 1598; die letzte Beisetzung fand im Januar 1937 statt.

Als Verbandsfriedhof stellte er jedenfalls eine wichtige Einnahmequelle für die adelige Grundherrschaft in Heinsheim dar. Wie aus mehreren, im General-Landesarchiv in Karlsruhe und auf Burg Guttenberg verwahrten Akten ersichtlich, erneuerte Catharina Maria von Schade, die damalige Besitzerin von zwei Dritteln der Heinsheimer Gemarkung (ein Drittel gehörte dem Deutschen Orden in Gundelsheim), 1701 und 1714 Vereinbarungen mit den Juden über den Friedhof. Sie sahen im Wesentlichen Folgendes vor:

  • Für die Zurverfügungstellung des Platzes durch die adlige Grundherrschaft zahlen die Mitglieder des jüdischen Friedhofsverbandes einen jährlichen Erbzins von 10 Gulden (ab 1766 12 Gulden).
  • Zusätzlich werden alle 50 Jahre „12 silberne Löffel Augsburger Probe“ sowie eine englische Sackuhr im Wert von 24 Reichstalern gezahlt.
  • Bei jeder Beerdigung wird ein Sterbegeld, in den Akten „Sterbehandlohn“ genannt, von 30 Kreuzern bei Kindern unter 10 Jahren sowie 1 Gulden bei allen anderen Sterbefällen entrichtet.
  • Die zum Heinsheimer Friedhof gehörenden Juden verpflichten sich, ihre toten nicht auf einem anderen Friedhof zu bestatten.
  • Für die Schlichtung von Streitigkeiten im Zusammenhang mit jüdischen Zeremonien versammeln sich die zum Heinsheimer Friedhof gehörenden Juden alljährlich im August in Heinsheim, wobei die Hälfte der bei diesen Zusammenkünften verhängten „Zeremonialstrafen“ an den Ortsherren abzuführen sind.

Erst 1857 wurden die Abgaben für den Heinsheimer Jüdischen Friedhof mit 200 Gulden abgelöst und dieser in das Eigentum der jüdischen Begräbniskongregation Heinsheim übergeben.

Bereits 1718 hatte man den Zaun, der bis dahin den Friedhof umgeben hatte, durch eine Mauer ersetzt. Mit Beginn des 20. Jahrhunderts geht die Zahl der Bestattungen stark zurück. Das hängt offensichtlich damit zusammen, dass im Zuge der rechtlichen Gleichstellung der Juden die jüdischen Gemeinden eigene Friedhöfe anlegen konnten, so 1818 in Eppingen, 1881 in Rappenau und 1896 Wimpfen.

Während der Herrschaft der Nationalsozialisten, die alles jüdische Leben auszulöschen trachteten und die meisten Zeugnisse jüdischer Kultur vernichteten, sollte auch der Heinsheimer Jüdische Friedhof eingeebnet und der landwirtschaftlichen Nutzung zugeführt werden.  Seine Grabsteine sollten „nutzbringend“ verwendet und das schmiedeeiserne Eingangstor der Rüstungsindustrie zugeführt werden. Zu diesem Zweck wurde 1944 ein Kaufvertrag abgeschlossen, der den Übergang des Friedhofs in den Besitz der politischen Gemeinde Heinsheim vorsah. Dieser wurde jedoch bis zum Ende des „Dritten Reiches“ nicht ins Grundbuch eingetragen.

Von mutwilliger gewaltsamer Schändung und Zerstörung etlicher Grabstellen berichtet der Zeitzeuge Hermann Bach, dessen Vater zu jener Zeit Pfarrer in Heinsheim war. An einigen Grabsteinen kann man die Spuren erkennen. Nach Ende des „Dritten Reiches“ mussten auch hier – wie anderswo- örtliche prominente Vertreter der Naziherrschaft zur Wiederherstellung der geschändeten Grabstellen antreten. Dennoch blieb der Bestand der Zeugnisse jüdischer Grabsteinkultur im Großen und Ganzen unversehrt. Umweltverschmutzung und saurer Regen haben den Grabsteinen – vor allem denen aus dem Sandstein der nahegelegenen Steinbrüche von Mühlbach bei Eppingen – in den letzten 50 Jahren mehr zugesetzt als in den Jahrhunderten davor.

Der jüdische Friedhof Bad Rappenau-Heinsheim (pdf)

Auswahl besonders interessanter Grabsteine

0004 Hirsch Ottenheimer, Heinsheim *1853 ✡1933
0019 Jeanette Strauss, Heinsheim *1857 ✡1937
0137 David Sohn des Alexander Zwi, Massenbachhausen ✡1837
0164 David Dreifuß, Wimpfen ✡1875
0395 Mayer Billigheimer, Rappenau ✡1860
0410 Löb Fischer, Mosbach ✡1860
0438 Abraham Lipidot Sohn des Jehuda, Gemmingen ✡1728
0454 Salman Sohn des Wolf, Ittlingen ✡1718
0465 Löw (Jehuda) Bauer, Neckarzimmern ✡1857
0484 Zart Frau des Sanwil, Richen ✡1737
0554 Menachem Mendl Sohn des Elischa Levi ✡1684
0559 Zart Tochter des Sanwil, Richen ✡1787
0561 Esther Tochter des Mordechai, Richen ✡1778
0568 Mina (Mirjam) Hahn, Berwangen ✡1853
0592 Sender Sohn des Jehuda, Rappenau ✡1778
0623 Mordechai Sohn des Ahron, Kirchhausen✡1778
0643 Rechle Frau des Jitzchak, Mosbach ✡1778
0655 Joseph Sohn des Jakob Elieser, Mosbach ✡1697
0783 Schönle Frau des Joseph Segal, Heinsheim ✡1806
0774 Salomon Scheuermann, Binau ✡1819
0862 Mosche Sohn des Meir Segal, Heinsheim ✡1798
0185 Josef Kaufmann, Binau ✡1829
0315 Ernestine Mosbacher, Wertheim ✡1864
0132 Alexander Hirsch Bad Rappenau ✡1880

Die Dokumentation aller Grabsteine finden Sie über den untenstehenden Link zum Landesarchiv Baden Württemberg

Landesarchiv Baden Württemberg

Führungen: 

Öffentliche Führungen zum und über den Jüdischen Friedhof werden von der Bad Rappenauer Touristikbetrieb GmbH in regelmäßigen Abstand angeboten. Über sie können auch Gruppenführungen gebucht werden. Kontakt: Tel. 07264/922-391; E-Mail gaesteinfo@badrappenau.de

Information zu Führungen über den jüdischen Friedhof finden Sie auf der Homepage der Stadt Bad Rappenau:  hier

Quellen: Joachim Hahn auf http://www.alemannia-judaica.de/heinsheim_synagoge.htm.
Michael Konnerth, Der Jüdische Friedhof bei Bad Rappenau-Heinsheim
hgg. von der Stadt Bad Rappenau 2008
Wolfgang Angerbauer/Hans Georg Frank, Jüdische Gemeinden in Kreis und Stadt Heilbronn Schriftenreihe des Landkreises Heilbronn Band 1, Landkreis Heilbronn 1986